„Uns muss klar sein, warum wir das machen“
Benedikt Reuse | 19. Juni 2023
Sie und ihr Lehrgebiet Bildungstheorie und Medienpädagogik haben sich auf das Thema künstliche Intelligenz spezialisiert. Um mit dem großen fachlichen Potenzial der FernUniversität in Hagen an die restliche deutsche Forschungscommunity anzudocken, engagiert sich de Witts Team im KI-Campus – eine offene Lernplattform zur Stärkung von KI- und Datenkompetenzen. Interessierte greifen hier auf kostenlose Online-Angebote zu und vernetzen sich. Gefördert wird der KI-Campus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Mitglieder füllen die Plattform inzwischen im Projekt „KI-Campus 2.0“ weiter mit Leben – dabei ist die FernUniversität als eine von drei Partnerhochschulen mit an Bord. > Zum KI-Campus
„Es ist eine Ehre, dass wir mitmachen dürfen“, freut sich Claudia de Witt über die verfestigte Kooperation. „Wir haben schon vorher mit dem KI-Campus zusammengearbeitet – damals noch ohne zusätzliche Ressourcen, einfach aus Interesse und Motivation.“ Die nun offizielle Einbindung in die Förderlinie bringt der KI-Forschung in Hagen noch einmal starken Aufwind. „Der anwendungsorientierte KI-Campus gibt uns neuen Input für die Forschung. Umgekehrt bringen wir dort unsere wissenschaftlichen Ergebnisse ein, zum Beispiel aus dem Forschungszentrum CATALPA.“
Gemeinsam dranbleiben in Open-Think-Tanks
Neben Online-Kursen, Videos oder Podcasts spielt Vernetzung eine große Rolle für den KI-Campus. „Wir wollen bundesweit eine Community zusammenhalten“, verspricht de Witt. Das passiert zum Beispiel in Form von Open-Think-Tanks im „KI-ExpertLab Hochschullehre“. Dabei handelt es sich um offene Arbeitskreise, sogenannte Communities of Practice, die die Hagener Bildungswissenschaft organisiert. „In den Open-Think-Tanks finden sich Interessierte mit Expert:innen zusammen“, umreißt Caroline Berger-Konen die Idee. „Darin geht es um verschiedene Querschnittsthemen – zum Beispiel KI in Bezug auf Didaktik, Ethik, Curriculum, Micro-Degrees oder Prüfungen.“ Zusätzlich soll es noch ein eigenes DidaktikLab und ein KI-Campus-HUB NRW geben, die den Austausch fördern. Die virtuellen Labore haben nicht nur Info-Charakter, sondern geben auch die Möglichkeit zum freien Ausprobieren: „Wir wollen aufklären, reflektieren, aber auch das direkte Experimentieren mit KI ermöglichen“, stellt Berger-Konen in Aussicht.
Sorgfältig kuratierte Lernangebote
Berührungsängste abzubauen, das ist dem FernUni-Team wichtig. Jessica Felgentreu überblickt die zahlreichen Lernangebote im KI-Campus und schätzt ein, was davon gut zur FernUni passt. „Unsere Aufgabe ist es, die digitalen Lernformate strukturiert zu integrieren – auf Ebene unserer Studiengänge, aber auch in der wissenschaftlichen Weiterbildung“, so die Forscherin. Denkbar wären zum Beispiel Zertifikatskurse zu KI- und Datenkompetenz oder niederschwellige Online-Formate, die entweder in der Studienvorbereitung oder flankierend zum Fernstudium laufen. Ein möglicher Ort hierfür ist das Programm „studyFIT – Fit fürs Fernstudium“ der FernUniversität: „Vielleicht bauen wir hier ein übergreifendes Angebot auf? KI für alle?“, überlegt Felgentreu. Zudem ist geplant, dass das Zentrum für Digitalisierung und IT (ZDI) der FernUni bestimmte Lernangebote des KI-Campus auf der offenen Lernplattform Moodle zusammenführt, um sie hochschulübergeifend nutzbar zu machen.
„Wir gehen davon aus, das KI und Learning Analytics immer mehr in Hochschulen kommen.“
Qualität und Vertrauen gewährleisten
Bei aller Vielfalt und Experimentierfreude ist dem Team wichtig, hohe Standards im Umgang mit KI-Tools zu schaffen. „Wie gehen wir mit den Daten um, die gesammelt werden? Wo kommen sie her? Wie werden sie bereinigt? Wie reagieren wir auf Verzerrungen?“, benennt Berger-Konen mögliche Fragen der Ethik, Transparenz und Datensicherheit. Auch an ihnen führt kein Weg mehr vorbei. „Wir gehen davon aus, das KI und Learning Analytics immer mehr in Hochschulen kommen“, betont Claudia de Witt. „Studierende und Lehrende müssen lernen, damit umzugehen. Dafür gilt es jedoch, gemeinsame Regeln zu finden.“ Die Forscherin verweist hier etwa auf den Ansatz des Trusted Learning Analytics, zu dem sie bei CATALPA forscht. Er sieht eine besondere Datenethik für KI-basiertes Feedback und Assessment vor – zum Beispiel in puncto Datensparsamkeit: „Man sollte nicht alles erheben, was man kann, sondern gut überlegen: „Was brauchen wir wirklich?“
Der vom BMBF geförderte KI-Campus hat neun feste Projektpartner: den Stifterverband, die Charité, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), die FernUniversität in Hagen, das Hasso-Plattner-Institut (HPI), die Humboldt-Universität zu Berlin, das mmb Institut und NEOCOSMO. Weitere Infos
Was sind hochschulische Ziele?
Im Köcher stecken viele Pfeile – von technischer Seite ist das klar. Aber wie sehen die strategischen Ziele aus? Hier müssen sich Hochschulen grundsätzlich festlegen. „Bis jetzt sind die Ziele der Hochschulbildung, die Persönlichkeit weiterzuentwickeln und die Berufsfähigkeit zu erhalten. Bleiben wir dabei oder müssen wir neue Ziele formulieren?“, spitzt de Witt zu. „Warum machen wir das?“ Zumindest im Namen des FernUni-Forschungsteams kann Berger-Konen die Frage beantworten: „Wir müssen die Studierenden nicht nur für aktuelle, sondern auch für zukünftige Berufe fit und handlungsfähig machen. Dabei ist ein wichtiger Aspekt die Entwicklung von Future Skills!“
Alle Illustrationen auf den Themenseiten sind vom KI-Bildgenerator DALL-E 2 erstellt worden.