Kompass für die Datenlandschaft

Anja Wetter | 21. Juli 2023

Die digitale Transformation hat enorme Auswirkungen auf unser tägliches Leben und erobert die Arbeits- und Bildungswelt. Dies erfordert Fähigkeiten und Kompetenzen, die insbesondere im beruflichen Bereich deutlich wichtiger werden. Neben sozialen Kompetenzen sind dies vor allem digitale Qualifikationen: der Umgang mit Medien, Technologien, Informationen und Daten.

„Data-Science-Kompetenzen ermöglichen es Menschen, informierte Entscheidungen zu treffen und ihre Umgebung besser zu gestalten. Sie ermöglichen ihnen auch, schneller auf neue Herausforderungen zu reagieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Dafür müssen Beschäftigte weitergebildet werden.“

Maria Potanin und Prof. Christian Beecks, Leiter des Lehrgebiets Data Science an der FernUni.

Prof. Dr. Christian Beecks leitet das Lehrgebiet Data Science an der FernUniversität. Er nimmt mit seinem Team Data Science und Data Literacy als zwei der relevantesten Zukunftskompetenzen in den Fokus.

Während Data Science als angewandte Disziplin auf die Anpassung und Entwicklung neuer Methoden zur Datenanalyse und -verarbeitung abzielt, um damit komplexe Probleme zu lösen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, befasst sich Data Literacy vor allem mit einem sicheren und souveränen Umgang mit Daten und deren Verwendung.

Grundgerüst bauen

„Wir gehen der Frage nach, welche Bedeutung Data Science und Data Literacy in der Wirtschaft und der Wissenschaft besitzen, und wie Fach- und Führungskompetenzen verstanden und strukturiert werden können“, skizziert Christian Beecks das Projekt „DS3W – Data Science Kompetenzen für den digitalen Wandel in Wissenschaft und Wirtschaft“. Sein Team untersucht, welche Kompetenzbedarfe in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Arbeitswelten vorhanden sind und welche Weiterbildungsangebote geschaffen werden müssen. „Wir brauchen ein vernünftiges Grundgerüst und Grundverständnis dafür, wo Handlungsbedarf besteht.“

Denn das Problem ist Folgendes: Es ist trotz Mangel respektive Bedarf kein einheitliches Kompetenzverständnis vorhanden. Das erschwert die nachhaltige Weiterbildung von Beschäftigten im Umfeld einer zunehmend datengetriebenen, digitalisierten Unternehmensumgebung.

Data Science ist eine datenzentrierte Disziplin, die sich mit der Gewinnung von Wissen aus großen Datensätzen beschäftigt. Zum Einsatz kommen Methoden der statistischen Modellierung, des maschinellen Lernens und anderer analytischer Ansätze. Als Ergebnis dieses Prozesses können Dateneinsichten bereitgestellt werden, die dabei helfen, komplexe Probleme besser zu verstehen und entsprechende Lösungsansätze zu entwickeln.

Um Erkenntnisse zu gewinnen und Annahmen zu überprüfen, starten Christian Beecks und sein Team mit der Datenerhebung an der FernUni. „Hier herrscht eine fast durchgängig digitale Arbeitswelt vor. Außerdem ist es ein Ort, an dem die entsprechenden Kompetenzen im Umgang mit Daten vermittelt werden.“

Kompetenzlandschaft entwerfen

Zunächst wird eine „Kompetenzlandschaft“ entwickelt, die auf Annahmen in der Fachliteratur beruht. „Das Bild, das wir aus Publikationen gewinnen, gleichen wir mit der Realität ab“, erläutert Maria Potanin, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt. „Dazu werden wir Lehrende an der FernUni befragen und ermitteln, welche Kompetenzen im Umgang mit Daten schon vorhanden sind und welche als notwendig angesehen werden.“

Das fängt unter Umständen bei der Speicherung von Daten an. „Welche Daten darf ich überhaupt speichern und vor allem, wie darf ich sie speichern?“, nennt Christian Beecks eine der Fragen zum Thema Datensicherheit an der Universität.

„Data-Science-Kompetenzen ermöglichen es Menschen, informierte Entscheidungen zu treffen und ihre Umgebung besser zu gestalten.”

Lehrende weiterbilden

In einem weiteren Schritt wird der Weiterbildungsbedarf für Lehrende selbst analysiert. „Diese Erkenntnisse übertragen wir dann auf den Wirtschaftsbereich“, stellt Christian Beecks in Aussicht. Das Projekt steht noch ganz am Anfang.

Für den Transfer in die Praxis wiederum sollen Interviews in Unternehmen geführt und abgleichen werden, um den wirklichen Bedarf zu verstehen, so Maria Potanin. Anschließend soll anhand von Fallstudien beobachtet und analysiert werden, welche Kompetenzen in der Praxis tatsächlich wie eingesetzt werden.

Digitales Training

Für die späteren Angebote der Weiterbildung wird „ein hohes Maß an Adaptivität und Modularität erforderlich sein“, denkt Christian Beecks bereits an Blended-Learning-Modelle. Der Vorteil daran: Schon die digitale Lernumgebung selbst trainiert digitale Schlüsselkompetenzen.

Da haben große Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleinen oder mittelständischen, vermuten die Forschenden. Sie haben in der Regel einen stärkeren Bezug zu Interaktivität. „Wir vermuten, dass dieser Effekt besteht.“

Bei Data Literacy ist ein wichtiger Aspekt die Datensicherheit. Datenanalysen sind nur dann möglich, wenn die verwendeten Daten sicher und geschützt sind. Notwendige Datenschutzrichtlinien und -verfahren sind einzuhalten, um Datenmissbrauch zu vermeiden. Data Literacy beinhaltet das Verständnis von Datentypen sowie ein grundlegendes Wissen über Datenerfassung, -aufbereitung und -analyse sowie die Einordnung in bestimmte Kontexte.

Idealerweise steht am Ende eine Kompetenzlandschaft für Data Science und Data Literacy, die Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen dabei unterstützt, Bedarfe zu erkennen und benennen zu können. Unternehmen können auf der Basis effektiv digitale Transformation vorantreiben sowie Kenntnisse aus verschiedenen Bereiche nutzen – was letztlich eine effizientere Nutzung digitaler Technologien ermöglicht.

Selbstbestimmt arbeiten

Es soll schließlich darin münden, dass Unternehmen, aber auch die Beschäftigten selbst ihre Kompetenzen in Bezug auf Data-Science-Tools sowie datengestützte Analysetechniken besser verstehen und einordnen können. „Es geht nicht nur darum, dass Unternehmen qualifizierte Beschäftigte finden“, sagt Maria Potanin. „Es geht auch darum, sie zu halten und an das Unternehmen zu binden.“