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New Learning in Krisenzeiten – mit New Learning durch die Krise?

Mann auf Spielzeugauto mit Rakete auf dem Rücken

Die pädagogisch Tätigen aller Bildungsbereiche – dazu zählen etwa Kita-Fachkräfte, Lehrkräfte an Schulen, Mitarbeiter:innen in der außerschulischen Jugendarbeit und in der Erwachsenenbildung sowie Lehrende an Hochschulen – waren und sind teilweise noch immer durch die pandemiebedingten Maßnahmen gegen die Verbreitung von SARS-CoV-2 wie kaum viele andere Berufsgruppen gesellschaftlicher Funktionssysteme, Branchen oder Berufssparten besonders gefordert: Sie sollen ihrem beruflichen Mandat, nämlich der Initiierung und Begleitung von Lern-, Bildungs- und Reflexionsprozessen, auch während der Krise nachkommen. Mit dem Label „systemrelevant“ waren und sind sie entsprechend dazu angehalten, neue Wege der Vermittlung, Begleitung, des Lehrens und Unterrichtes zu entwickeln und zu erproben.

Bildung ermöglicht Teilhabe

Das formale Erziehungs- und Bildungssystem, in seiner Gesamtheit zahlenmäßig und stichpunktartig betrachtet, zeigt, wie viele Menschen in unmittelbaren Lehr-Lern-Kontexten in diesem System agieren: In Deutschland unterrichten rund 783.000 Lehrkräfte mehr als 10 Millionen Schüler:innen an allgemeinbildenden Schulen. Nahezu 2,9 Millionen Studierende lernen an Fachhochschulen und Universitäten, in den Kindertagesstätten (Kitas) werden rund 3,7 Millionen Kinder (Statistisches Bundesamt 2020) durch pädagogische Fachkräfte in ihrer sprachlichen, sozialen und geistigen Entwicklung begleitet und gefördert. Im Weiterbildungsbereich dozieren unzählige Kursleiter:innen und Trainer:innen, beispielsweise im Feld der kulturellen Bildung, unterrichten Deutsch als Fremdsprache oder begleiten Menschen auf ihrem zweiten Bildungsweg zum Schulabschluss.

These: Bildung von Anfang an und lebensbegleitend in formalen Bildungsinstitutionen und darüber hinaus in informellen Zusammenhängen kennzeichnet – und das ist keine These, sondern Realität – in allen Altersgruppen unsere Lebenswelt, ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung.

Gefahr sozialer Ungleichheit

Während der Pandemie wurden und mussten von den pädagogischen Akteur:innen neue, andere Wege erprobt werden, das Lernen und das Lehren zu gestalten. Häufig und wenig überraschend wurden zur Umsetzung digitale Tools gewählt. Dabei geht und ging es insbesondere darum, die Interaktionen zwischen den Lehrenden und Lernenden in den digitalen Raum zu verlagern und ein stabiles Lehr-Lernsetting herzustellen.

These: Dabei immer im Blick zu behalten galt und gilt es, ein reflexives Bewusstsein der Lehrenden zu schaffen, dass Digitalisierung durchaus zur (Re-)Produktion von Ungleichheiten beitragen kann.

Wie verändert die Krise die Verhältnisse?

In einem Forschungsprojekt der FernUniversität in Hagen mit dem Titel „Professionalität und Bildungsgerechtigkeit in der Krise“, kurz: die ProBiKri-Studie genannt, wird das Zusammenspiel von pädagogischen Handlungen und der Gefahr von sozialer Ungleichheit aufgrund der Verwendung digitaler Medien erforscht. In der Studie steht auch die Fragestellung im Fokus, wie sich krisenbedingt das professionelle Handeln von Lehrenden an Hochschulen und Lehrkräften an Schulen verändert (hat) und wie die Herstellung, Aufrechterhaltung und Gestaltung des pädagogischen Arbeitsbündnisses erfolgt. Mit pädagogischen Arbeitsbündnis ist, verkürzt, die Beziehungsgestaltung zwischen den Lehrenden und Lernenden gemeint.

Bereits kurz nach Beginn des ersten übergreifenden Shutdowns an Hochschulen und Schulen im März 2020 zeigten die ersten Befragungsergebnisse, dass 97 Prozent der Befragten aus Hochschulen weiterhin ihre Lehre durchführen konnten (N = 364), während es an allgemeinbildenden Schulen lediglich 85,3 Prozent (N = 429) waren. Als die wesentlichen Gründe für den Verzicht zur Durchführung von Unterricht und Lehre wurden eine unzureichende technische Ausstattung und fehlende Kenntnisse über den Einsatz digitaler Medien genannt.

Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive wird die technische Seite als Barriere erster Ordnung bestimmt. Als zweite Barriere werden die didaktischen Kompetenzen der Lehrpersonen benannt – sprich ihre professionelle Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Realisierung digital unterstützter Lehr- und Lernprozesse.

These: Im Sinne des New Learnings begründet sich bereits mit diesem einzelnen Befund der Bedarf an flächendeckenden Weiterbildungsmöglichkeiten für die Lehrenden der unterschiedlichen Bildungsbereiche.

 

Denn durch die sprunghaft gestiegene Praxisrelevanz digitaler Medien in Unterricht und Lehre gewinnt die Professionalisierungslücke an Brisanz. Demzufolge beruht der derzeitige Einsatz von digitalen Medien als Lehr- und Lernmedium nicht immer auf einem systematischen Kompetenzzuwachs und möglicherweise auch nicht auf Grundlage (medien-)didaktischer Überlegungen, sondern vielmehr auf einem enormen Handlungsdruck und dem teils hohen Engagement der Lehrpersonen.

Zäsur manifestiert New Learning

Nicht erst durch die Covid19-Pandemie hat die digitale Transformation im Erziehungs- und Bildungssystem grundlegend an Fahrt aufgenommen. Der Einsatz und die Reflexion digitaler Medien wird schon seit Jahrzehnten in der pädagogischen Praxis praktiziert und im erziehungswissenschaftlichen Diskurs bearbeitet. Gleichwohl erscheint bisher eher eine fragmentarische Auseinandersetzung mit Digitalisierung innerhalb der unterschiedlichen Bildungsbereiche zu bestehen; New Learning hat gerade erst begonnen. Die Zeichen stehen in dieser Zeit, die als gesellschaftliche Zäsur zu bezeichnen ist, tatsächlich gut dafür, dass sich New Learning etablieren wird. Und so zeigt sich das dialektische Prinzip auch in der Corona-Krise, und damit zumindest als ein kleiner Trost, zumindest für die Digitalisierung: kein Schaden, ohne Nutzen.

Weitere und aktuelle Befunde der ProBiKri-Studie werden laufend beim Zentrum für pädagogische Berufsgruppen- und Organisationsforschung (ZeBOHagen) veröffentlicht.

 


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Autorinnen

Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungsforschung an der FernUniversität in Hagen und Sprecherin des Zentrums für pädagogische Berufsgruppen- und Organisationsforschung. Julia Schütz auf Twitter.

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